In diesem Blogbeitrag beschäftige ich mich mit einem Thema, das auf den ersten Blick nur am Rande mit der Immobilienbewertung zu tun hat, und zwar mit dem Klimawandel.
Inspiriert hat mich unter anderem ein Vortrag des Meteorologen Karsten Schwanke auf dem Deutschen Sachverständigentag im November 2019 in Leipzig.
Dass die weltweite Veränderung des Klimas ein Fakt ist, dürfte mittlerweile jedem klar sein. Ob die Erhöhung der globalen Durchschnittstemperaturen durch den Menschen verursacht wird oder ob „natürliche Ursachen“ verantwortlich sind, sei an dieser Stelle dahingestellt. Dem interessierten Leser möchte ich an dieser Stelle einen Beitrag von Herrn Schwanke zu den Ursachen des globalen Temperaturanstiegs ans Herz legen.
Welche Ursachen der Anstieg der globalen Durchschnittstemperaturen auch immer haben mag, wir werden uns alle mit den Folgen des „Klimawandels“ auseinandersetzen müssen. Diese sind unter anderem
- ein Ansteigen des Meeresspiegels
- eine Häufung von Extremwetterlagen (Temperaturrekorde, Stürme, Starkregen, längere Trockenperioden)
Der Anstieg des Meeresspiegels
Der Meeresspiegel ist weltweit zwischen 1901 und 2010 um durchschnittlich 1,7 mm pro Jahr angestiegen. Die jährliche Veränderung lag zwischen 1993 und 2010 schon bei 3,2 mm pro Jahr und im Jahr 2018 sogar bei 3,7 mm. Zukünftig ist mit weiter steigenden Werten zu rechnen. Ursächlich für den Anstieg des Meeresspiegels sind die höhere Wassertemperatur der Meere (wärmeres Wasser dehnt sich stärker aus) und das Abschmelzen der Gletscher (vor allem in der Arktis und Antarktis).
Die Folgen des gestiegenen Meeresspiegels sind:
- eine stärkere Erosion von Stränden und Steilküsten
- höhere Sturm- und Flutschäden
- erhöhte Grundwasserspiegel
- das Eindringen von Salz in das Grund- und Oberflächenwasser und
- die Überschwemmung von küstennahen und tiefer gelegenen Landstrichen
Die Menschen werden sich – insbesondere in den ärmeren Regionen der Erde – nach und nach aus den bedrohten Landstrichen zurückziehen. In den reichen Ländern stehen finanzielle Mittel für Schutzmaßnahmen zur Verfügung (z.B. Aufstocken und Verstärken der Deiche). Dies hat wiederum zur Folge, dass sich die Menschen erst später aus den gefährdeten Regionen zurückziehen und das Risiko katastrophaler Überschwemmungen steigt. Dies hat dann wiederum zur Folge, dass die Menschen in den Niederlanden gemäß einer Untersuchung der UNO stärker durch den Meeresspiegelanstieg gefährdet sind als zum Beispiel die Menschen in Bangladesch. Auch in Großstädten wie Miami, in denen das Meerwasser bereits in die Kanalisation eindringt, sind die Folgen des Meeresspiegelanstieges feststellbar.
Aber auch Städte wie New York, London, Hamburg, Tokio, Sydney, Mumbai und Vancouver, die alle auf Meeresniveau liegen, sind von dem Anstieg der Meeresspiegel akut gefährdet.
Extremwetterlagen häufen sich sind weltweit, auch in Deutschland
In Deutschland wurden im Sommer 2019 reihenweise neue Temperaturrekorde aufgestellt. Der neue „Rekordhalter“ ist die Stadt Lingen in Niedersachsen mit 42,6 Grad C, aufgestellt am 25.07.2019. Die extreme Hitze sorgt dafür, dass sich insbesondere die Städte stärker aufheizen und das Temperaturgefälle zwischen den Städten und dem Umland steigt.
Aufgrund der langen Trockenheit in den Jahren 2018 und 2019 ist der Grundwasserspiegel im Osten Deutschlands zum Teil dramatisch abgesunken – mit katastrophalen Folgen für die Wälder (die Wurzeln erreichen das Grundwasser nicht mehr und die Waldbrandgefahr steigt rapide an). Darüber hinaus beklagen die Bauern aufgrund der Trockenheit Missernten und fordern Entschädigungszahlungen der Bundesregierung.
Auf der anderen Seite treten häufiger Starkregen mit bis zu 40 Liter Niederschlag pro qm pro Stunde auf. Allerdings fließen diese Niederschläge häufig ab und gelangen nicht bis in das Grundwasser. In den Städten ist die Kanalisation oft unterdimensioniert und es treten temporäre Überschwemmungen auf.
Häufigere Unwetter verursachen stärkere Sturmschäden – sowohl in der Natur als auch an Gebäuden und Infrastruktureinrichtungen (Brücken, Gleise, Deiche etc.)
Zu den Ursachen der gehäuften Extremwetterlagen verweise ich auch hier auf ein Video von Herrn Schwanke.
Welche Auswirkungen haben die Folgen des Klimawandels auf die Immobilienbewertung?
Eine Auswirkung auf die Immobilienbewertung ergibt sich erst bei einer gegebenen Marktrelevanz, das heißt wenn die Marktteilnehmer die Folgen der Klimaveränderungen bei der Preisfindung berücksichtigen. Bis dahin handelt es sich um „reine Gedankenspiele“ ohne Marktbezug.
Da die Folgen den Klimawandels mehr und mehr in das Bewusstsein der Menschen treten, ist meiner Einschätzung nach von einer Auswirkung auf den Immobilienmarkt in naher Zukunft auszugehen.
Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung hat auf der Internetseite die Gefährdungssituation der bundesdeutschen Immobilienstandorte durch Naturgefahren wie Überflutungen, Starkregen, Wintersturm, Waldbrand, Erdbeben und Hitze flächendeckend dargestellt. Wir Immobiliengutachter haben dies als „tatsächliche Eigenschaft“ oder „sonstige Beschaffenheit“ des Grundstückes bei der Ableitung des Marktwertes nach § 194 BauGB in Ansatz zu bringen. Im Rahmen der Beleihungswertermittlung sind gemäß § 16 PfandBG die Naturgefahren als „langfristige, nachhaltige Merkmale des Objektes“ zu berücksichtigen.
Wie und in welcher Höhe die Risiken zu berücksichtigen sind, hängt von seiner Marktrelevanz ab und obliegt der Einschätzung des Gutachters. Vergleichswerte wurden bis heute noch nicht veröffentlicht. Möglich wäre ein Abschlag in % des vorläufigen Marktwertes als besonderes objektspezifisches Grundstücksmerkmal, über einen höheren Liegenschaftszinssatz, über höhere Instandsetzungskosten oder eine verkürzte Restnutzungsdauer, denn:
Hat ein Neubau in Miami (oder in Hörnum auf Sylt oder einem anderen gefährdeten Gebiet) aufgrund der weiter steigenden Meeresspiegel überhaupt die Chance, das Ende seiner (üblichen) Gesamtnutzungsdauer zu erreichen?
Darüber hinaus erhält der Städtebau und die Architektur eine andere Bedeutung, aus welchen sich viele neue Fragestellungen ergeben. z.B. diente die Gebäudedämmung in der Vergangenheit dazu die Heizenergie im Gebäude zu halten, wird es in Zukunft darum gehen die Sonneneinstrahlung und die extreme Hitze aus den Gebäuden heraus zu halten? Sind Immobilien ohne ausreichende Dämmung oder ohne eine Klimaanlage überhaupt noch zeitgemäß? Halten die zur Zeit verwendeten Dämmmaterialien den Einflüssen von Starkregen und Hagelschlag stand? Sind Nord-Balkone zukünftig als werterhöhendes Merkmal und nicht mehr als wertmindernd zu berücksichtigen?
Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so erscheint, wird der Klimawandel zukünftig erhebliche Auswirkungen auf unser tägliches Leben und auch auf die Immobilienbewertung haben. Es bleibt zu hoffen, dass es doch noch gelingt das Ausmaß der globalen Erwärmung einzudämmen. Dazu wird es aber zunächst einmal notwendig sein, eine ideologiefreie Diskussion zu führen und die Angst vor Veränderungen zu verlieren. Denn in jeder Veränderung liegt die Chance einer Wende zum Positiven.