Die Digitalisierung hat unser Leben in fast allen Bereichen verändert und es ist davon auszugehen, dass wir uns erst am Anfang des Digitalisierungsprozesses befinden.

Noch vor dreißig Jahren waren Telefone mit Wählscheibe, Telefonzellen und ein Fernsehempfang mit Zimmerantenne gang und gäbe. Internet, Mobiltelefone, Kabelanschluss und digitale Fotografie waren unbekannt. Meine Kinder fragen mich, wie wir damals überhaupt unseren Alltag bewältigen konnten.

Naja, Verabredungen wurden eingehalten und nicht kurzfristig per SMS abgesagt, die neuesten Informationen erhielt man erst im Radio oder Fernsehen oder am nächsten Morgen in der Tageszeitung. Eine neuen Lebenspartner oder -partnerin suchte und fand man ganz analog in der Disco, im Café, der Kneipe oder per Zufall auf der Straße oder in der Straßenbahn. Eine Bekanntschaft in der U-Bahn ist heute fast gar nicht mehr möglich, da die meisten Menschen auf ihr Handy starren. Die Partnersuche findet heute vermehrt in digitaler Form statt; die Anzahl der Nutzer von Online-Partnervermittlungen in Deutschland wird aktuell auf 6 – 8 Mio. Menschen geschätzt.

Doch was verbirgt sich überhaupt hinter dem Begriff „Digitalisierung“?

Per Definition handelt es sich bei der Digitalisierung zunächst um die „Umwandlung analoger Informationen oder Prozesse in eine digitale Form“ (sogenannte „digitale Transformation“). Zum Beispiel wurde früher ein (analoger) Einkaufszettel geschrieben, wo heute eine (digitale) Einkaufs-App zum Einsatz kommt.

Der zweite Aspekt der Digitalisierung stellt die Vernetzung von Informationen dar. Um bei unserem Beispiel zu bleiben – die Einkaufs-App teilt ihre Informationen mit anderen Familienmitgliedern und vermeidet so Doppel-Einkäufe etc.

Selbstverständlich beeinflusst die Digitalisierung auch die Immobilienbewertung.

Im Internet werden vermehrt Online-Immobilienbewertungen angeboten. Die Anbieter von kostenfreien Bewertungen sind meist Maklerbüros, die diese Tools zur Kundengewinnung einsetzen. Zur Herkunft und der Auswertung des zugrundeliegenden Datenmaterials werden zumeist keine Angaben gemacht. Es ist aber davon auszugehen, dass rein auf Angebotspreise zurückgegriffen wird, da die tatsächlichen Transaktionsdaten der Gutachterausschüsse aus datenschutzrechtlichen Gründen für diese Anbieter nicht zur Verfügung stehen. Ob die über diese Portale ermittelten Vergleichspreise tatsächlich Rückschlüsse auf den tatsächlichen Immobilienwert zulassen, erscheint zumindest zweifelhaft.

Der obere Gutachterausschuss Niedersachsen bietet den „Immobilien-Preis-Kalkulator“ an, über den online das Preisniveau für Ein- und Zweifamilienhäuser, Reihen- und Doppelhäuser sowie Eigentumswohnungen ermittelt werden kann. Die Datenbasis bildet hier die Kaufpreissammlung, die über mathematisch-statistische Verfahren analysiert wird.

Auch der Gutachterausschuss Berlin bietet ein ähnliches Tool als „Immobilienpreis-Info“ an, über welches das Preisniveau für Baugrundstücke, Einfamilienhäuser und Wohnungseigentum ermittelt werden kann.

Wenn sich alle Gutachterausschüsse einig wären, bestünde ein riesiges Potential für eine aktuelle Vergleichsdatenbank, die den Bewertungsprozess massiv vereinfachen würde. Aber die Bundesländer sind ja noch nicht einmal in der Lage, sich auf ein einheitliches Bewertungssystem zur Ermittlung der Grundsteuer zu einigen. Eine gemeinsame Datenbank für Vergleichspreise der Gutachterausschüsse scheint heute noch Science-Fiction zu sein.

Darüber hinaus stehen zahlreiche Angebote zur Unterstützung von uns Gutachtern in allen Phasen unserer täglichen Arbeit zur Verfügung:

Die Informationsbeschaffung erfolgt heutzutage online, das heißt entweder direkt über Informationsportale im Internet oder als Abfrage per Email – aber nicht mehr per Post oder Telefax wie noch vor wenigen Jahren. Der technische Fortschritt hat aber noch nicht alle Bereiche der Arbeitswelt erreicht, denn Anfragen bei der öffentlichen Verwaltung (zu Bau- und Altlastenauskünften, Erschließungskostenbescheinigungen etc.) können immer noch mehrere Wochen in Anspruch nehmen.

Große Informationsportale wie z.B. Geoport, vdp-research bieten uns Immobilien-gutachtern kompakte Informationen zu Strukturdaten (Bevölkerungszahl und -entwicklung, Arbeitslosenzahlen, Kaufkraft, Zentralität usw.) und zu den regionalen Immobilienmärkten an (Vergleichspreise, Vergleichsmieten etc.). Diese Datenbanken werten Angebotspreise, Vergleichspreise von Maklerunternehmen und Preise aus den Beständen der Banken und Sparkassen aus und eignen sich sehr gut für die Bewertung von Immobilienportfolien und haben bereits heute Einzug in den Alltag des Immobiliengutachters gehalten.

Eine Flächenermittlung von Gebäuden über 3D-Modelle auf Basis des amtlichen Liegenschaftskatasters befindet sich in der Entwicklung (www.moss.de), Informationen zur Hochwassergefährdung und anderen natürlichen Risiken stehen bereits zur Abfrage zur Verfügung (z.B. ddsgeo.de, www.gisimmorisknaturgefahren.de).

Die Auswertung von Vergleichsobjekten, die Konkurrenzanalyse zur vorhandenen Nutzung oder die Ermittlung von Vergleichsmieten wird zukünftig schneller und objektiv besser erfolgen können. Das Manko der aktuell zur Verfügung stehenden Informationsportale liegt noch in der Qualität und Aktualität der angebotenen Daten, die sich zukünftig aber weiter verbessern wird.

Immobilienbewertungs-Software wie z.B. Lora, ProSa, PraxWert bieten dem Immobiliengutachter Unterstützung bei den Berechnungen (zum Sachwert-, Ertragswert oder Vergleichswert) und der Gutachtenerstellung an. Damit erfolgt die Erstellung von Wertgutachten schneller und komfortabler und das Risiko von Berechnungsfehlern wird minimiert.

Bei allem digitalen Fortschritt bleibt die Kernkompetenz des Immobiliengutachters aber die Interpretation der gewonnenen Erkenntnisse und die abschließende Entscheidung über einen angemessenen Immobilienwert. In diesen Feldern besteht zur Zeit – auch bei Anwendung von Algorithmen – nur ein geringes Digitalisierungspotential.

Trotzdem hat die Digitalisierung das Berufsbild des Immobiliengutachters verändert und wird dies in Zukunft auch weiter tun. Wir Gutachter sind gehalten, uns auf das digitalisierte Arbeitsumfeld einzustellen und eine höhere IT-Kompetenz anzueignen. Denn, ein Zurück zur Abfrage von Vergleichswerten per Telefax und dem Abfassen von Gutachten per Schreibmaschine wird es nicht geben. Das Arbeitsfeld des Gutachters wird sich weiter verändern, überflüssig werden wir (zum Glück) aber nicht.